Dienstag, Februar 16, 2010

facets of giving up.

das mixtape für januar - ich möchte nicht sagen, dass ich es nicht geschafft habe, es kommt einfach nur sehr spät, ist aber dafür auch recht einseitig und pretty oldschool. sehr postpunk-lastig, eine musik, die gerade nicht wirklich en vogue ist, aber mich halt nie wirklich loslässt - zum glück. facets of giving up.

shellac - prayer to god
und es startet gleich mit einem schweren wie schwierigen stück musikgeschichte. "prayer to god" zeigt shellac, die band von steve albini, in absoluter höchstform. wuchtig, brutal, sowas von auf den punkt. gespielt wird nur mit speziellen kunststoff-saiteninstrumenten, dazu der electrical audio-trademark-sound, der bei allem geballer einfach nur außerweltlich transparent bleibt. und textlich...könnte ich jetzt ebenfalls schreiben, dass das ganz weit vorne ist, aber das ist ja so eine sache bei dem herrn. das ist, ehre wem ehre gebührt, eine ziemlich gelungene studie des verletzten liebenden, der in seiner dunkelsten stunde zum ersten mal in seinem leben hilfe bei gott sucht und ihn anfleht und -schreit, das junge glück zu zerstören, das paar zu ermorden. vom plot her ist das grandios, vom verhältnis von musik und text ebenfalls. wäre da nicht albinis immer mitvibrierende misogynie, allzu deutlich in zeilen wie "make him cry like a woman / no particular woman", aber letzten endes zieht es sich durch das lied und albinis gesamtes werk hindurch. alte streitfrage: künstlerischer ausdruck oder gelebter machismo? ich weiß es nicht. einem nick cave wird das selten so extrem vorgeworfen, wenn der songs darüber schreibt, dass es ihn auch noch im hohen alter sehr entspannt, unter dem schreibtisch heimlich zu masturbieren.
sieht man davon mal ab, bleibt unterm strich das letzte gebet: "kill him. fucking kill him." und das, das haben wir alle schonmal so oder mit anderem pronomen gebetet. und das macht den song, losgelöst von der person albinis, in einem rezeptionsästhetischen kontext so verdammt gut. oh, auf den kontext komme ich später nochmal zu sprechen...

valina - dogged
valina wären ja die letzten, denen ich misogynie vorwerfen würde, dabei sind die drei österreicher die größten europäischen albinifreaks. "dogged", vom zweiten von albini prodzierten album - ja, man hört es! - hört man auch einen besonderen gast am saxophon: chicago, saxophon, klingelt's? richtig. sweep the leg johnny. deren sänger bläst hier eine sweepeske melodie nach der anderen hinaus. es gab kurz vor weihnachten 09 fast nichts größeres für mich, als mit diesem song, auf anschlag aufgedreht, durch die fußgängerzone der innenstadt zu gehen, und fast mit niemandem zusammenzustoßen - hat seine aura voll und ganz ausgebreitet.

sharon jones & the dap kings - giving up
im januar dagegen war dieser song dauergast. jeden morgen, nürnberg - schwabach by car, eis und schnee und schlechte laune, bäume huschen vorbei. und dann setzt dieser majestätische bläsersatz ein und malt die leere dunkel an. und in den folgenden drei minuten schafft es sharon jones, dieses unwohlsein in pop zu verwandeln, und das ganz ohne übertriebene effekthascherei. yes i know, der song geht um ein anderes "giving up" als meines jeden morgen auf der autobahn. aber aufgeben hat eben so viele facetten. nicht nur schlechte.
brother reade - hit like aces
b.r. aus l.a. sind meine persönlichen rap-darlings, deeeeeply oldschool, nonchalant bis zum gehtnichtmehr und ursympathisch, treten sie ja auch einfach mal aus purer laune heraus als schlagzeugduo auf und spielen ein experimentalset. aber vielleicht bin ich auch nur ein bisschen voreingenommen, weil die beiden aus dieser von grundauf netten blase von bands aus dem the smell-umfeld kommen, der auch no age, infinte body, the sads oder mika miko (r.i.p.) angehör(t)en. und gleichzeitig spielen sie mit dem wu-tang-clan. das klingt nach kopf- und herzentscheidungen, durchgewurstel, und leben als veränderung wahrnehmen. life is choosing not to give up, hat aaron cometbus mal erwähnt. oh, da war's wieder, das wort.

common rider - blackbirds vs. crows
did you ever know you were my hero? common rider, das war anfang der 2000er die band von jesse michaels. jesse michaels hat meine jugend gerettet, und zwar in mehreren sinnen, weil er fast zehn jahre vor meiner jugend sänger/texter bei operation ivy war. michaels ist der einzig lebende mensch, der ska punk machen darf, weil es hier eben nie peinlich und nach themessageisgudelaune klingt, sondern nach einem standpunkt, einer art der weltbetrachtung. mit jedem song wird untermauert, dass zwischenmenschliches interpretationssache ist, und wie wichtig eine positive interpretation dessen ist.
vor einem jahr, bei meinem gastspiel in den danteschen höllenkreisen, schrieb ich ihm mal eine mail aus bad k., woraus sich ein kurzer, sehr netter mailkontakt entwickelte. ich dankte ihm, er dankte mir, erzählte von seiner neuen band, classics of love, die sehr viel punkiger, aber nicht weniger frisch klingen. the young idea, as delivered by jesse michaels.

xiu xiu - no friend oh!
das neue album "dear god, i hate myself" hab ich noch nicht gehört, aber ehrlich: ich finde den albumtitel irgendwie doof. klingt zu sehr nach vorne, nach marylin manson, zu sehr nach einer schiene. dieser song stammt vom vorgänger "women as lovers", wahnsinnsalbum, leider das letzte in kollaboration mit caralee mcelroy, die jetzt bei den öden cold cave herumsynthisiert. nerdtalk: auch mal an cold cave beteiligt war sarah j. lipstate, die auch gerne als noveller auftritt und sonst bei parts and labor massiv lärm macht...passend zum tapethema würde ich mir von xiu xiu ja mal "don't give up", im original von kate bush und peter gabriel, wünschen...
sandy shaw - your time is gonna come
sandy shaw: never give up. in den 1960ern war sie eine popsängerin mit mehreren hits aus den schmieden von burt bacharach und anderen, versuchte es dann mal auf deutsch - "wiedehopf im mai" ist ein echter anspieltipp. dann wurde es still um sie, bis sie in den 1980ern zusammen mit morrissey ein version von "hand in glove" einsang. pause. pause. irgendwann im neuen jahrtausend kam sie dann mit der neuen version eines alten hits, den sie frei ins internet stellte, was wohl überlegtheit wie auch uptodateness beweist; ja, das zieht sich durch ihr leben wohl hindurch: das tun, worauf man lust hat, auch wenn es nach aufgeben aussehen mag. leute wie roberto blanco verstehen unter erfolg ja immer noch die lebenslange unterwerfung unter the man, sandy shaw zeigt, wie es auch anders geht, und steht dabei wesentlich deutlicher und stolzer auf ihren eigenen füßen. nebenbei ist "your time is gonna come" ein bezaubernder fluch in richtung eines ex-lovers. genderscheisse oléolé: versuchen männer sowas, kommt "kill him, fucking kill him" raus; hier klingt das deutlich entspannter...

gowns - stand and encounter
ich hab mich ja schon aufs esoterischste ein paar tage zuvor über diesen track ausgelassen. daran hat sich nichts geändert.

barr - context ender
"no seriously: that talk is poison. why would you need to hold someone down if they did nothing to youor to make a career of it, a practice. im sorry i know there are degrees and not everything can be a party, but come on what about the other things: the criticism of context, like, maybe be aware to the fear that that stuff matters, like, but you only liked it cause you heard it with him and the speakers sounded perfect and you were over the other stuff and liked the idea of that kind of thing is your new thing..." barr ist ein zauberer. eigentlich jazzschlagzeuger mit einer imposanten puh der bär-tätowierung, macht brendan fowler seit einigen jahren, neben seiner arbeit für das kunstmagazin anp quarterly auch als barr musik. das reicht von wirren spoken words über drum patterns bis zu aufnahmen mit der barr band (kill rock stars). große texte fürs akademische prekariat. hier: gefühle von glück bis versagen sind nichts als kontextabhängig. und für den ist man immer auch ein wenig selbst verantwortlich. jesse michaels lässt grüßen.
youngblood brass band - diaspora
ybb habe ich einmal und einmal zu viel gesehen. und dabei festgestellt: bands mit bläsern machen mich live zumeist total fertig. jedesmal ist mir das zu viel gute laune auf der bühne, zu viel "wir feiern hier ne party, ladet alle ein!" daher habe ich nach dem album, auf dem dieser song war, das interesse daran verloren. das war ungefähr 2004. aber ehrlich: der song, das ganze album, ist der hammer. ich werde nie vergessen, wie herr lindemann mal auf einer mao's rache-party "movement" von der "center.level.roar." aufgelegt hat, eine achteinhalbminütige "yes, we can"-nummer, und ein ganzer saal einfach nur am kochen war. bitte mal wieder, bald. aus der konserve.

the vss - lunar weight
hat mit dem tapethema...nichts zu tun. naja, obwohl, ich glaub ich krieg die kurve... vergangene woche war ich auf einem konzert von dd/mm/yyyy aus kanada, und die haben mich auf ganz unverkrampfte weise unglaublich an the vss erinnert. routiniert aus dem schmerzzentrum geschossener postpunk zwischen düsterduster, irren breaks und perversem popflirt. und just an diesem abend habe ich das erste mal seit längerem aufgegeben: meine position. ich bin mir darüber klar geworden, dass mein mir so verhasster job zwei tage darauf enden wird und die ganze kruste fiel von mir ab und ich habe getanzt wie das letzte mal an meinem 25. geburtstag. das weiß ich deswegen so genau, weil ich am tag nach dd/mm/yyyy, genau wie am 29.09.2004, einen blauen fleck in der form einer rechten hand auf meinem brustkorb hatte.
three mile pilot - south
und, was ne kurve: mit three mile pilot habe ich, ein paar monate vorher, erst gelernt, wie aufgeben geht. im sommer 2008 bin ich eher durh zufall an eine cd der band gekommen, just vier tage, bevor ich meine bis dato lieblingswohnung räumen musste, um für ein jahr unsinnigerweise in die provinz zu ziehen. zu dem album habe ich über jeder menge kartons und staub gefühlte zwei liter tränen vergossen; das war echt schlimm, aber nötig, und ohne three mile pilot (heute: the black heart procession) nicht möglich. "another desert, another sea" ist aber auch ohne den erinnerungsstaub ein großartiges album.