Mittwoch, Februar 11, 2009

thank dog for white doves and white sinks.

gerade nach etwas anderem gesucht, und einen kleinen artikel gefunden, den ich eigentlich für ein zine des musikvereins im letzten sommer schreiben sollte oder wollte. weiß gar nicht, warum ich den nicht abgegeben habe. weihrauch, weihrauch.

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Vom Musikverein sprechen, das bedeutet unweigerlich…unweigerlich. Nein. Anders anfangen. Das war damals so. Das kann ich am besten. Von damals sprechen. Geschichten erzählen. Geschichte machen. Da war ich ungefähr 20, als ich das erste Mal dachte: „Eigentlich müsste ich hier wohnen.“ Stattliche Säulen, ein großer Treppenaufgang, der Geschmack von Geschichte an jeder Ecke. Das wurde nicht in einem Tag gebaut. Und es steht auch nicht erst seit gestern. Und die Musik, die von da vorne kommt, ist verdammt laut. Gut so. Ich saß auf dem linken Treppenaufgang und beobachtete die Menschen um mich herum. Mitbewohner. Und rauchte eine Zigarette, damals war das noch möglich und innerhalb von öffentlichen Gebäuden kein subversiver Akt. Aber kann man in öffentlichen Gebäuden wohnen, ohne subversiv zu sein? Die anderen hundert und ich.

Kurze Pause zwischen einer Band und der nächsten. Plötzlich stehen Q And Not U da auf dieser Bühne.

Dann vergingen ein paar Jahre. Kurz danach begann ich, im Musikverein mitzumachen. Konzerte veranstalten, persönliche Krisen bewältigen, denn wir sind ja gerade Anfang Zwanzig, Theke machen, oft genug als Letzter rauskommen, die Sonne scheint, hungrig nach mehr, eine Tube Senf am Bahnhof essen, riesige Partyabende planen, sackschwere Mischpulte transportieren, soundsoviele Menschen aus soundso vielen Ländern kennenlernen. Da fällt mir ein…The Wives haben da mal im Musikverein gespielt. Heute heißen die No Age. Und dieser eine Typ, Randy, steht – klar, damals – mitten in der Nacht vor mir und erzählt, wie geil das ist, die Eryträer, und du, mann; man ist auf Tour und lernt all diese verschiedenen Menschen kennen, mit ihren verschiedenen Eigenheiten und Ansichten, und man lernt so vieles mehr als an irgendeinem anderen Ort, für den Ort in einem selbst. Um sich selbst zu verorten.

Whiskey trinken mit Ted Leo.

Schlechte Witze mit den Hot Snakes.

Kein Wort wechseln mit TV On The Radio.

Kinkerlitzchen, Angebereien, Ego-Putzing und Egos kollektivieren.

Inzwischen bin ich seit zwei Jahren raus aus dem Verein. Weil das richtige Leben zugeschlagen hat, weil ich alt wurde und das Geld brauchte. In einem Monat muss ich erstmal auf unbestimmte Zeit in die Oberpfalz ziehen, weil das jetzt von mir verlangt wird. Was mich sehr an Nürnberg hält, was mich immer wieder daran scheitern lässt, das ist der Musikverein. Als emopunk.net noch emopunk.de hieß und über „Emo“ noch keine traurigen Berichte in „RTL Explosiv“ kamen, sondern sich Arlie Carstens von Juno und Jessica Hopper prophetisch über das, was mal kommen mag, ausgelassen haben, da war ich im MV. Und ein Freund fragte mich auf ebenjener Website, warum ich mich so sehr über diesen Verein identifiziere. Und ich? Ich hab ihn gefragt: Warum denn nicht?

Ich bin gerade nach gefühlten neunhundert Stunden Thekendienst auf Bucovina Club an meinem Tiefpunkt angekommen. Habe unzählig viele Vodkas ausgeschenkt an Typen, die ich hoffe, nie wieder sehen zu müssen. Die Party ist aus, geht alle nach Hause. Alle gehen. Einer schleicht sich wieder rein, steht morgens um halb sechs wieder vor uns, dem erschöpften, aber restlos glücklichen Thekenpersonal. Und er will seinen einen Oiro Pfand zurück. Ich erkläre ihm, dass jetzt Schicht ist. Er erklärt mir, dass er gleich wirklich Schicht macht, hier. Millisekunden Blicke austauschen. Dann werfen wir ihn gemeinsam raus. Eine halbe Stunde später steht er am Anfang des Treppenaufgangs, schmettert seine Bierflasche gegen die Wand und steht da mit seinem abgebrochenen Flaschenhals, krakeelt nach seinem Pfand. Das schlimmste: Montag seh ich den Typ wieder in der Uni.

Und ich zog endgültig ein. In kein öffentliches Gebäude, nicht in die Königstr. 93. Aber die Treppen und das Licht und die Menschen, die sich dazwischen bewegten, die wurden eine Zweitfamilie für mich.

Vom Musikverein sprechen, das heißt über die beste Zeit meines Lebens zu sprechen. Zumindest könnte ich das behaupten und es würde sich gar nicht so verkehrt anhören. Aber mal ehrlich, auch wenn es tierisch nervt, der Vergangenheit Denkmäler zu bauen: Dafür hab ich mal mein Studium saußen lassen, dafür wurde ich durch mindestens zwei Depressionen geschleust. Ich weiß gar nicht, was ich über diesen verdammten Verein schreiben soll. Das ist so, als müsste ich über die Haare an meinem rechten Bein schreiben. Die waren halt schon immer da.

(Inzwischen stehe ich ja nur noch vor der Theke. Kauf mir ein Bier, geh zum Rauchen brav vor die Tür und mag auf viele Veranstaltungen gar nicht mehr gehen, weil ich vieles von dem, was da passiert, nicht mehr verstehe und nicht mehr gut finde. Aber das ist gar nicht so wichtig und eine andere Geschichte.)

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in other news habe ich echt erst letztes wochenende last.fm für mich entdeckt und bin schier überwältigt.