Mittwoch, Dezember 31, 2008

it's the terror of knowing what this world is about.

januar: ich bin hauptsächlich damit beschäftigt, die wunden des vergangenen jahres zu lecken und mir darüber gedanken zu machen, ob ich künftig nur noch pollunder tragen werde. here comes conclusion spielen einen famos unspektakulären auftritt in köln und bekommen fünfundzwanzig euro dafür.


februar: mitte des monats lerne ich meine erznemesis kennen. sie anthropomorphisiert sich in form eines seminarlehrers, der mich monate später mit den worten „sie wissen, sie sind momentan das schlusslicht?“ an den rand eines nervenzusammenbruches bringt. zu diesem zeitpunkt bin ich jedoch noch guter dinge und notiere in meinem tagebuch: „also: trotzdem noch alles hinterfragen. niemals aufhören.“ in einem kleinen psychologiespiel meinen zwei meiner kollegen, dass ich unglaublich kompetent wirke. wir merken uns: wirke.


märz: mittlerweile frage ich mich nur noch, wann ich eigentlich genau aus der bahn geschossen bin. meine welt und die welt der erwachsenen prallen immer öfter aufeinander. ich trage zum ersten mal ein sakko für einen job, den ich immer mehr zu hassen beginne. here comes conclusion sind drei tage mit pleased to meet u unterwegs, in michael erkenne ich einen seelenpartner sondersgleichen und denke leise über einen umzug nach köln nach. im allgemeinen werde ich immer leiser. woran das liegt, vermag ich bis heute nicht zu sagen. das ganze jahr 2008 steht jedenfalls im zeichen des erstummens. ich finde nur noch selten die kraft, kontakt zu den freunden weit weg aufrecht zu erhalten, sitze dafür sieben tage die woche bis spät in die nacht vor einem leeren computerbildschirm und bin eine kaputte maschine aus angst und angst.


april: das „kopfhörer“-buch erscheint. ich schreibe über „never mind the bollocks“, das ich bis heute nicht wirklich gehört habe. ich merke, dass ich viel öfter viel mehr schreiben möchte, aber wie schon der märz gezeugt hatte, fehlt mir einfach die zeit und die luft im kopf. um das wasser dort herauszubekommen, muss ich eines morgens im auto bei „the slip“ von les savy fav losheulen. vier tage später, auf der selben strecke, wechselt ein post-transporter plötzlich die spur und zwingt mich zu einer ähnlichen aktion. da sich die nächste spur jedoch innerhalb der leitplanke befindet, gibt es einen riesenkrach, sekunden später stehe ich auf dem standstreifen, das erste, woran ich denke ist, dass ich jetzt meine gut vorbereitete erste stunde nicht halten kann, stunden später bricht der schock durch und lähmt mich für die nächsten paar wochen, leider nur geistig.


mai: das bloggen kann ich mir stecken, es geschehen eigentlich nur noch tragödien. die summe der kleinigkeiten zeichnet ein dunkles bild und wird erdrückend groß, ich bin kurz vor dem aufgeben und frage mich, inwiefern nicht schon der beginn dieses jobs ein aufgeben war. bonnie prince billy ist der einzige mensch, dem ich in diesem monat wirklich zuhöre. zeitgleich verliere ich jegliche lust daran, mich wochenendabends aus dem haus zu trauen. das liegt leider aber mehr daran, dass ich mit der spaßmeute nichts mehr anfangen kann, weil ich ab hier nicht mehr einsehe, was das an den wirklichen problemen ändern sollte. das soll weitreichende folgen haben. trotzdem erscheint ende des monats das here comes conclusion-album, ich weine wieder, diesmal vor guten freunden. mit dem album wächst der glaube daran, etwas anders machen zu können.


juni: bille und ich geraten zu recht sehr oft aneinander. zu recht hat sie mit den meisten ihrer vorwürfe recht. ich werfe beinahe einen schüler aus dem klassenzimmer, weil er mit einem fußball-iro auftaucht, was mir aus mehreren gründen das herz zerreißt. gegen die masse kann ich nicht jeden morgen aufstehen, zumal sich diese masse recht real in form von zweinunddreißig fünfzehnjährigen manifestiert. mithin führe ich mittlerweile das leben eines anderen. und: ich kann den typ nicht leiden.


juli: ...was ich auch noch den gesamten juli hindurch weiter durchziehe. musik tangiert mich mittlerweile fast nicht mehr. dafür entdecke ich durch daniel higgs meine liebe zu störgeräuschen und baue sie in erschreckend kurzer zeit sehr weit aus. struktur, nein danke. am vorvorletzten schultag teilt mir die freundliche sekretärin mit, dass meine künftige wirkstätte das staatliche landschulheim marquartstein sein wird, 60 km von salzburg entfernt. erst lachen bille und ich über diesen absurden kerl, der sich das ausgedacht hat. dann kommt die große angst. nach einigen tauschgesuchen schließlich die erlösung: bad kötzting in der oberpfalz wird mein neues zweitzuhause. als ich dort mit dem auto meines vaters hinfahre, um mir eine wohnung zu suchen, muss ich über die 7.000 einwohner starke und sehr religiöse gegend doch die eine oder andere träne vergießen, auf dem rückweg schließlich fahre ich mir einen motorschaden und muss abgeschleppt werden, hindurch durch einen millionenzählenden schwarm von eintagsfliegen, die sich in den tod summen. darker days are coming? moment, wir sind ja noch im juli: am vorletzten schultag sticht mich eine kleine mücke ins bein. das bein wird plötzlich groß. und größer. und möchte platzen.


august: anfang august kann ich aber schon wieder fast normal gehen. finde eine wohnung in bad k., auch das auto ist bis zum stichtag 15.8. wieder in stand gesetzt. bille und ich nehmen eine selbstverordnete auszeit, essen zu viel in triest, kollabieren auf zweieinhalb tausend metern, zumindest ich, haben an anderer stelle angst vor seeigeln, trinken gerne kroatisches bier und kalterer wein und kommen wohlerholt gerade zu einem dälek-konzert zurück in die stadt.


september: kurz darauf wird mir klar, dass ich umziehen muss. inerhalb von fünf tagen: alles kündigen, absagen, kapitulieren, gute freunde zusammentrommeln, auf nach k. der folgende schulanfang wird recht milde. davon abgesehen, dass ich eigentlich niemanden verstehe, sind alle sehr nett zu mir. zumindest nehme ich das an.

oktober: die arbeit breitet erneut dunke flügel aus, aber ich bin ja schon im zweiten level und kann inzwischen gut damit umgehen. das geht sogar so weit, dass der job ab und an beginnt, spaß zu machen. gegen ende des monats werde ich „lieblingslehrer“ genannt. das ist nett und scheiße zugleich.


november: deprimierende minitour mit here comes conclusion. wir sind alle auf unterschiedlichen tiefpunkten angekommen, genau wie die zahl unserer konzertbesucher. als ich nachts um halb eins in braunschweig vor zwei betrunkenen metallern spiele, die um diese zeit laut jugendschutz nichtmal mehr wach sein dürften, denke ich mir nur noch „für euch mag ich mich nicht einmal bewegen.“ bei konzertende fragt mich bock, woher ich eigentlich immer die energie auf der bühne nehme. auf der busrückfahrt höre ich fast sechs stunden lang ein einziges ben frost-album.

in der arbeit ruft mich eines tages der direktor zu sich, nachdem einer meiner schüler dem typ neben ihm mit einer schere eine tiefe und unwahrscheinlch bluttriefende schnittwunde in der hand beigebracht hat, 32 sekunden bevor ich ex-blätter austeile. der chef möchte mir aber nur für mein engagement danken.

man sieht: gerade läuf hier einiges schief. zwei tage darauf fragt mich eine schülerin, ob ich eigentlich theater spielen würde, ich bewege mich immer so gekonnt. ich lächle und sage: ja und nein.


dezember: ist ja gerade noch immer. ich brenne cds für die silvestergala heute abend. obwohl ich nur earth-songs durch ein chorus-pedal laufen lassen möchte, um das dann in schleife zu spielen, liegt vor mir eine songliste, auf der sich der titel „jungle boogie“ befindet. superfreundin kerstin schreibt eine mail, in der sie die parole fürs kommende jahr ausgibt: „nächstes jahr mache ich einfach nur noch, was mir gefällt.“ nimm das, leben.

bille verkauft hundertachtunddrelf teile auf dem kafekunstfest, ich entdecke mit bon iver die schönste band des vergangenen jahres, here comes conclusion beschließen weiterzumachen, ich dagegen weiß, dass ich nach referendarararariat mit diesem job-quatsch durch bin. herr müller rettet mit einem kurzen gespräch am weihnachtsabend wie so oft meine gesinnung.

was ich in diesem jahr gelernt habe: es geht immer noch ein bisschen tiefer. und mit ein bisschen pma kommt man durch alles durch. freunde: danke.


das war heute. vor einem jahr.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

huch, wir leben noch!

6:13 PM  

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