Samstag, September 20, 2008

positive jam.

wowee zowee, das neue hold steady-album ist raus, trägt den fantastischen titel "stay positive" und genau das summe ich seit einer woche.
die erste woche kötzting ist überstanden. der erste morgen war noch unangenehm. es war kalt. ich war alleine. die haferflocken musste ich mit wasser verdünnen, weil mir die milch ausging. dafür ist die schule dann umso positiver ausgefallen. nette kollegen die sich duzen und einen wie einen menschen behandeln, unbegrenztes kopierkontingent, der beste kaffee der welt.

die schülerInnen sind natürlich sehr ländlich geprägt. die meisten tiefschwarz, aber angenehmerweise auch zumeist antirassistisch. das ist ja schonmal was.
die gegend um cham ist extrem strukturschwach. zwar ist die arbeitslosgkeit inzwischen auf bundesdeutsches niveau gedrückt worden, die, die jedoch arbeit haben, verdienen oft nicht allzu viel. daher ist es auch immer schwer, für eine klasse bücher, arbeitshefte oder ähnliches zu bestellen. die meisten müssen hier eben tatsächlich jeden cent zweimal wenden. nach der 10. klasse sind letztes jahr über 30 schüler abgegangen, auch ein zeichen des arbeitsplätzemangels. so ist es hier noch ein wenig kämpferisch, für bildung zu werben.

meine 11. klassen sind jedoch recht fit, vielleicht auch fitter als ich. haben etwa in der 10. klasse geschichte und sozialkunde nur als vorlesungen bekommen, inklusive kolloquium. das soll was bedeuten. so muss ich mir jetzt also nebenbei auch eine menge anlesen. und endlich damit beginnen, von meinem blöden frontalunterricht wegzugehen. teach, don't preach. hätte ich auch nie erwartet, dass ich so einer werde. aber es ist manches mal auch schwer, das bekehren zu lassen. wenn die klassen verlangen, dass man am morgen betet, und als lehrer blöd danebensteht. beispielsweise. gestern abend meinte bille zu mir, es sei eben immer ein drahtseilakt, denn natürlich wird man in manchen punkten auch zu dem, was man macht, selbst wenn man selbst zuvor völlig anders war.

abgesehen von den üblichen problemen gibt es eine menge amüsanter anekdoten. etwa, dass mein direktor eine frappierende ähnlichket mit wackelrobert aufweist. ein anderer kollege wie theo weigel aussieht. oder dass ich donnerstag nacht, auf meinem balkon sitzend, rauchend, ein stockbesoffenes paar beobachtet hatte, das aus der tiefgarage in mein haus ging. gut, das ist weniger amüsant, aber ebenso oberpfalz.

mit diesen ersten geschichten, mit dem ersten persönlichen wissen um den nähesten markt oder bäcker, wächst plötzlich auch die nähe zu einem ort. erschreckend, wie schnell eine solche anpassung stattfindet. aber eben vielleicht nur, wenn man sich auch darauf einlässt, ich weiß es nicht. überlebensstrategien stehen plötzlich da und entpuppen sich als lebensstrategien. kleine äderchen, die dem lebensentwurf die dogmatik nehmen. und dem leben die angst. the mind is a hole in the body.

dazu das banale gefühl einer gewissen abhängigkeit vom adrenalin. nach einer guten schulstunde ist man wie betrunken, das gefühl, etwas gerissen zu haben oder 6 stunden am stück von einer materie zur nächsten gesprungen zu sein hinterlässt einen glücklich und ein bisschen abgefuckt. es ist schon spannend, das sind jedesmal fast bühnensituationen, außer dass die bühnensituation sicherer ist, da meist wesentlich weniger interaktion zustande kommt. die angst vor einer schlechten stunde ist dabei immer gegenwärtig. vorgestern abend konnte mich bille am telefon noch gerade so ausbremsen, eine stunde mit "meat is murder" von den smiths zu beginnen. das wäre ein disaster geworden.

die angst vor dem kommenden stress ist jedoch natürlich trotzdem allgegenwärtig. ich werde nicht noch einmal so leben wie das letzte halbe jahr. nicht für meinen körper, meine liebe, meine freunde.

freunde: leider habe ich weder internetz noch telefonie in meiner dortigen wohnung und bin darauf angewiesen, die dortige natür vom balkon aus zu betrachten. das ist nichtmal so schlecht und extrem beruhigend. besser als webseitenhopping vor lauter verzweiflung. allerdings komme ich bis mitte oktober wohl auch nur am wochenende dazu, ein paar nachrichten zu schreiben, also seht es mir nach. aber much love for all the encouraging post. es ist schön zu erfahren, dass an einen gedacht wird.
we gotta stay positive.