Freitag, August 08, 2008

we are wrought from a weird and volatile thread / try as you might you can never truly die.

es sind die kleinen dinge, die das leben lebenswert machen. es ist die häufigkeit der kleinen unglücke, die es zerstören.
gestern abend. halb zehn. ich stehe mit dem auto meines vaters am rand einer bundesstraße. der radio ist aus, die kupplung kaputt, es wird dunkel, seit einer dreiviertelstunde höre ich dem klack-tick-klack-tick der warnblinkanlage zu. lustig, dass ich genau hier das erste mal seit tagen wieder zeit habe, um nachzudenken. aber natürlich ist es dafür zu dunkel. alle 8 minuten hält ein freundlicher oberpfälzer neben mir und ich erkläre ihm in gebrochenem akzent, das abschleppfahrzeug sei schon unterwegs. zwischendrin weine ich, statt zu denken. und suche immer wieder nach einem grund, weiterzumachen, zuzugeben und einzugestehen. es läuft nicht mehr so wie ich es will und ich kann es genau jetzt auch nicht mehr ändern. ich brauche gründe. zugegeben, ich werde sie vorerst nicht finden. aber manchmal begreift man die dinge erst im nachhinein.
ab september werde ich also in der oberpfalz unterrichten, in bad kötzting. 7.000 einwohner, alle kennen sich, in der mitte fließt ein fluß. aber wenigstens eine sehr gute schule.

meine erste begegnung mit der stadt war vor einer woche. ich finde den weg zur schule nicht und frage die erstbeste passantin. kurble das fenster herunter, sie lehnt über mir. versucht mir mit händen und füßen und kopfbewegungen und komischen kleinen lauten den weg zu beschreiben. im gleichen moment, in dem ich mir denke, dass das nun für immer der anfang meiner beziehung zur stadt sein wird, wird mir klar, dass die frau parkinson hat.
gestern also der zweite besuch. diesmal nur zwei schmierige vermieter, deren einer mir erklärt, dass die stadt sehr nett ist, bis auf eine familie, deren fünf kinder sehr lässig aufgezogen wurden. aber inzwischen hat man sie dazu "überredet", aus der stadt wegzuziehen. den einen sohn wohl mit geld. wirklich. das hat er ernsthaft zu mir gesagt. ich bin höllisch gespannt auf das kommende jahr und will es gar nicht wissen.

nachdem der abschleppwagen kam und mich im strömenden regen aufgesattelt hat, fuhren wir über eine brücke, auf der etwas in der art von frischen blumen lag. die ganze brücke war damit bedeckt, nicht nur der boden, auch die windschutzscheibe, der abschleppmann, der schon zuvor ständig gegen den dieselgestank angebrüllt hat, setzt erneut zum schrei an: "scheisse, fliaga!" kombiniere, kombiniere. die blumen sind eintagsfliegen. millionen und abermillionen. die ganze brücke, die ganze luft ist mit einem riesigen schwarm bedeckt. heute abend sind sie geschlüpft, heute abend werden sie sterben, orgiastisch. im warmen regen, mitten auf der brücke, verlassen von den ersten lebenskräften, zwischen autogummi und der eigenen bestimmung des frühen todes. morgen ist alles vorbei.
ich bin beeindruckt ob dieses happenings, durch das mich der grobschlächtige dieselmann brüllend durchsteuert. ich bin nass bis auf die knochen und verstehe nur die hälfte von dem, was er sagt. so einen schwarm hat er ebenfalls noch nie gesehen.
die tiere sind übrigens größer, als ich sie mir vorgestellt habe. fast zwei zentimeter lang, mit großen, durchsichtigen, blumenartigen flügeln. wenig später lässt der typ mich an einem autohaus raus. dort warte ich auf meine eltern, die wenig später eintreffen. ich war selten so froh, die beiden zu sehen. meine mutter steigt aus, sagt "brüll, schrei, wein, aber fress es bitte nicht in dich hinein." natürlich frisst es der kerl wieder. der kerl wartet drauf, daraus einen großen ball im magen machen zu können und das feuchte knäuel mit einem mal auszuspucken.
eintagsfliegen verbringen 4 jahre im larvenstadium und leben als erwachsene manchmal nur einige minuten. wo ist unser moratorium?