Freitag, April 27, 2007

pop modernism.

ich will seit tagen über so vieles schreiben und bin von der schieren menge der in mich gepumpten informationen quasi geistig paralysiert, sitze stattdessen seit stunden in meinem wohnzimmer und höre die erste full-length von antelope rauf und runter. die platte ist, wie nicht anders zu erwarten war, beinahe monoton. bis auf wenige ausnahmen halten bass, schlagzeug und gitarre eigentlich immer genau das rhythmische schema und die melodie durch, mit denen ein song beginnt. das wirkt konzeptuell ähnlich wie lungfish, läuft aber musikalisch in anderen, nowavigeren bahnen. und erneut fühle ich mich ganz als teil (m)einer generation. die ästhetik, die antelope aufgreifen, beginnt überall um mich herum wurzeln zu schlagen. ein toast an all die truen punk- und indiekids, k-wort und die industrie sind spätestens in zwei jahren wieder aus eurem leben verschwunden. es ist etwas neues am wachsen. schon längst hier. vielleicht habe auch einfach nur ich es wieder viel zu spät bemerkt. so wie ich auch nicht bemerkt habe, dass dinosaur jr. ein neues album raushaben und eines der amüsantesten bandfotos der popgeschichte schossen:
und das ist so herrlich ehrlich. typen, die seit 20 jahren genau gleich aussehen, peter pan-komplex in gut. wenn man davon absieht, dass alle meine jugendhelden gerade auferstehen und mich wahrscheinlich bis zum ende meiner tage verfolgen. das ende von musik. daher...ist eigentlich folgendes foto von nofx noch ein wenig amüsanter:
aber sei es drum, das nur als randbemerkung. gerade tut sich wieder was, in den randgebieten der popkultur. kurze zeit nach coco rosie's auftauchen fing es an, mit der rekontextualisierung des wortes "nigger", raus aus indigenen afro-amerikanischen pop- und sprachzusammenhängen, rein in den weißen kunstkontext von hippiekids auf der selbstfindung. weiße mittelklassenkunst gegen die marginalisierung. begriffsfelder werden geöffnet, ausgeweitet, rekontextualisiert. und as eben verbunden mit einem sehr innerlichen kunstbegriff.
aber, wo ich gerade bei bandfotos war, noch ein kurzer, adäquaterer exkurs: aids wolf bringen mich nämlich mit ihrem bandfoto der ganzen sache noch viel näher:
nix da zurück zum beton. die zeiten sind vorbei. wo jetzt schon in sämtlichen billigsupermarktketten die biowelle boomt und h&m bald mit einer "organic collection" aufwartet, da hat auch der untergrund seinen weg zurück zum erleben von natur gefunden. natur als der gesellschaft exakt entgegengesetztes, passungsgleiches teil. die rückkehr zu ursprünglichen und einfachen, ja beinahe archaischen formen. eigentlich klar. das ist ja schon längst unter uns allen angekommen. trivial: die ganzen tierbands. wolf parade, we are wolves, wolf eyes, grizzly bear, polar bear, panda bear, nicht nur international, sondern auch lokal, man denke an die fantastischen beisspony oder falcon five, die dieser tage ihr erstes album rausbringen. das übersteigt ästhetisch alles schon lange den glöckchen-im-haar-tragenden devendra banhart. lightning bolt's "hypermagic mountain" sei hier ebenso erwähnt wie das immer größere interesse an diversen obskuren drone-, noise- und improv-bands wie aosuke, vanishing voice oder sunn o))). eigentlich erscheint es ja unglaublich, dass sich eine so schwierige musik, die sich an der schnittstelle von e und u entlangfühlt, zu einem trend entwickelt.
aber mich selbst hat's ja auch schon wieder erwischt. die letzten paar abende habe ich mich lange mit daniel higgs, dem ehemaligen lungfish-sänger auseinandergesetzt, auf dessen ersten soloalbum sich ausnahmslos stücke finden, die er auf einer japanischen maultrommel komponiert hat.
ist das verwunderlich? dass hier ein corporate hype konstruiert wird, scheint nicht der fall zu sein, die ganze szenerie beschreibt ja ein gegenstück. die opposition von natur und kunst wird auf einen in der postmoderne viel entscheidenderen gegensatz hinuntergebrochen: lebewesen vs. produkt. im archaischen wird nach etwas atmenden gesucht, im extremen und drastischen nach einer unkonditionierten reaktion, nach etwas ursprünglichem, ja beinahe spirituellem. kein bisschen verwunderlich. gestern, bei einem termin auf dem arbeitsamt, auf dem mir die drei säulen unseres wirtschaftssystems erklärt wurden, meinte meine ekstatische beraterin: "sie müssen den firmen zeigen, dass sie etwas haben, ohne dass diese nicht leben können. sie sind ein produkt, und das müssen sie verkaufen."
smells like eskapismus? vielleicht. vielleicht muss eskapismus auch teilhaben daran, vielleicht ist es notwenig, um so eine extrem durchproduzierte hyperrealität zu negieren. wenn man nicht aufpasst, erscheint es heute möglich, ein vorproduziertes leben zu führen, eine reallife-seifenoper, für die sich kein schwein interessiert, sequels und spin-offs so weit das auge reicht. und wenn man aufpasst, passiert vielleicht das gleiche.
der größte teil dessen, was gemeinhin ins spektrum linker undergroundmusik geordnet wird, ist inzwischen
ebenfalls vollends durchkanonisiert und aufs sinnentleerte und zeichenhafte beschränkt. so aufgefallen bei die princess die, vor ein paar wochen im komm spielten. eine neue band aus dem zuchtstall der gold standard laboratories, aus denen mittlerweile, tatsächlich ähnlich einem labor oder einer firma, meistens doch nur noch bands kommen, die alle nach einer gleichen, sorgfältig ausgetesteten formel zu arbeiten scheinen. besagte die princess die wirkten dabei auf mich wie eine normierte "battle of the bands"-band, deren image eben auf dem gsl-chic basiert, ein bisschen morbide-existentialistisch, sexuell aufgeladen, und unendlich cool. leider hat aber sogar der zerstörerausbruch gegen ende des sets, bei dem einer der gitarristen ins schlagzeug sprang usw. so durchexerziert und geübt gewirkt, dass der performance jedes gefühl für echtes leben genommen wurde. die trennung von bedeutung und zeichen war hier kein freies spiel mit den möglichkeiten, sondern wirkte wie ein epaarung von unsicherheit und inhaltsleere.
die vereinnahmung einer anscheinend so integren - weil eigentlich extrem kleinen - bastion stößt zum glück nicht nur mir auf. es gibt keinen guten kapitalismus.
da erscheint der gar nicht so neue naturbezug wie die suche nach sinnlichkeit als plausible antwort. nicht so sehr basierend auf diesem waldorf-ansatz und "fühl mal das holz, wie das riecht", nicht so plakativ und affirmierend, eher sich selbst trotzdem als kulturelle bewegung begreifend. aber auch nicht so konkret einem kunstkontext zuortbar, obwohl elemente von dada bis fluxus, von schönberg bis ornette coleman aufschimmern. diese bands sind von ihrer ganzen ästhetik auf der schnittstelle zwischen pop und elite, zwischen glasturm und hedonismus. neu ist das nicht unbedingt, natürlich lässt sich beinahe problemfrei eine linie von den contortions zu erase errata ziehen. was letztere aber doch anders macht, das ist, dass auch sie eine band sind, die immer auf natur bezug nehmen und darin explizit politisch bleiben. das erste album hiess ja nicht nur "other animals" und zeigte auf dem cover zwei hybride aus heuschrecken und kampfmaschinen, sondern es befanden sich auch zwei songs darauf, die diese programmatik schon im titel auffingen: "how to tell yourself from a television" und "other animals are #1". auf dem cover des neuen albums, "night life" sieht man das bild eines kauzes. hier lösen sich die gegensätze endgültig auf. das elektrische nachtleben wird zurück in den biologischen kontext gerückt, politik heisst hier: affen töten keine affen.
am werk ist hier eine semi-intellektuelle gruppe, die sich jedoch im gegensatz zu vielen punkbands vergangener generationen ihres weißen mittelklasse-backgrounds bewusst zu sein scheint und ihn auch stärker thematisiert, in kleidung und lebensstil oft damit kokettiert und bestrebt zu sein scheint, die mittelklasse zu radikalisieren - eine tendenz, die ob des konservativistischen backlashs der letzten jahre - genau - nur natürlich erscheinen mag.
und mit hilfe von free jazz, extremmusik und dilettantenkunst versucht, auch eine körperlichkeit zu schaffen, die das sloganeering oder der berührungs- und sinnlichkeitsfeindlichkeit der punk- und hardcore-szene, der sie entwachsen ist, überschreitet. denn während die punks noch versuchten, das geworfensein in die technokratie agressiv anzumahnen - es geht hier um kampf und auseinandersetzung, um spiele mit machtcodes - da wird hier und jetzt oftmals ja ganz auf worte verzichtet, da wird die regression im sound politisiert. in momenten von kontrollverlust und im herunterbrechen auf das einfache leben wird ein stark individualisierter weg aus der gesellschaft gezeichnet.diese neue generation von noisebands erkennt unterschiede ganz radikal nicht mehr an. in dieser unendlich oft durchgedachten welt ist nichts möglich, schon gar nicht denken.
klar: so weit denkt nicht jede band mit tier im namen. klar: inzwischen ist das alles auf dem weg zur hipness, und das anscheinend mit recht. allerdings frage ich mich gerade, in welcher weise all das vom mainstream vereinnahmt werden wird, abseits von biosojamilch und hanfschuhen. und ich frage mich, was danach wohl kommen mag und werde das gefühl nicht los, dass ich es bald am eigenen leibe spüren werde.
p.s.: passend zum thema wartet übrigens auch die neue testcard - eigentlich mit groben thema "extremismus" - mit ein paar interessanten artikeln zu extremer musik auf, jedoch ohne den naturbezug allzu stark mit einzubeziehen. lediglich in einem interview mit der österreichischen avantgarde-gruppe runzelstirn & gurgelstock fällt folgender satz: "ohne da gewesen zu sein, glaube ich, dass die menschen weit oben auf dem berg in taipei zumindest psychisch gesünder sind. deren leben organisiert sich ander oder 'natürlicher'. man atmet anders als in der stadt, man sieht weiter, man kann geradeaus gehen. psychisch gesünder, das ist richtig."

1 Comments:

Blogger My big O E said...

Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

10:39 AM  

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