Samstag, April 24, 2010

liberation

ohne viele worte: das april-mixtape. 60 minuten erbauliches für vor und nach 1.mai-gefühlen.


trans am - june
es ist schon klar, natürlich hätte der song in einem anderen monat besser gepasst. aber ich bin schon seit monaten so geflasht vom letzten trans am album, "liberation" aus dem jahre 2004 (!), dass ich ein ganzes mixtape nur mit songs von ebenjenem album vollpacken könnte. alles, was ich schon immer ganz gut fand an trans am, kumuliert hier und macht das album zu einem konzeptwerk, das von vorne bis hinten freude macht. die krautrock-einflüsse, die früher schon gebrochen in tracks wie "am rhein" zu hören waren, bilden hier eine grundlage für ausflüge sowohl in richtung noiserock wie auch gen disco, ohne jemals allzu vetrackt zu erscheinen. und das, auf der textebene, verpackt in eines der stärksten post-9/11-alben überhaupt. der titel "liberation" deutet es ja an, ein mini-skit wie "if there was ever an excuse for nuclear war it's washington d.c." unterstützt dies noch. das ist ein zeitgeschichtliches album, das seltsam aktuell strahlt.

anti-pop consortium - shine
ich hab sie verpasst. ich ärgere mich. sehr. für erstaunlich viele menschen waren die letzten paar apc-konzerte illuminierende ereignisse, man hört sie beinahe mythisch-religiöse überhöhungen murmeln; ich kann dazu nichts sagen, nur so viel: das ganze neue album, "fluorescent black", kommt mit angenehm wenigen hiphop-klischees aus, lebt von einem lockeren spiel mit synthies, billigkeyboards und, dem spielerischen diametral antgegenstehend, ziemlich dunklen beats, zu hören auch in diesem track. schade nur, dass das anscheinend mal wieder nur die nerd/ettes zu bewegen scheint. kaum lässt man klare linien hinter sich, scheint man sich dem jubel der masse entziehen zu können. das hat durchaus charmant-positives. oder steckt bei apc so viel musikgeschichte drin, dass man das nur mit dem überbau von anticon-nerdwissen und crossover-spielen im guten sinne, wie es sie ja auch gab und gibt, verstehen kann?

hans unstern - paris
...nein, glaube ich nicht, denn hans unstern findet man gerade ja auch mal per se gut, obwohl der an sich ebenfalls schwer wiegt. ich war skeptisch, ließ mich jedoch überzeugen. die spex stellt ihn in eine traditionslinie mit paul celan, weil er so schön verschwurbelt dichtet und sinngemäß etwas von "kratz deine männlichkeit heraus" brabbelt, aber natürlich hinkt der vergleich völlig, schon aufgrund der völlig unterschiedlichen lebensgeschichte. auch glaube ich kaum, dass sich hans unstern irgendwann mal am geburtstag hitlers in der seine ertränken wird. dazu wirkt er schon jetzt viel zu offen, bei aller eleganz und metaphernlastigkeit der schwer introspektiven texte ist das sehr nach außen gekehrte musik, die für mich viel optimismus enthält.

dum dum girls - oh mein m
große lyrik und viel optimismus auch hier. die dum dum girls singen ein liebeslied in broken german. nicht nur deswegen sind sie für mich die monatsgewinner im wetteifern um den titel "beste 6o's-retroband" und schlagen mitkontestanten wie die ganglians um längen.

caribou - lalibela
ja mei, was soll man denn gerade noch zu caribou sagen? ich halte mich bedeckt, finde das album sehr schön, wenn auch nicht total großartig. aber erst hier ist mir aufgefallen, wie stark es auch von der soundästhetik an arthur russell erinnert: eine verhallt-flüsternde stimme, die ein ähnliches timbre besitzt, die musik wirkt häufig versionenhaft, hinskizzierte melodien, hingeworfene toms und klangkörper über einen einfachen popbeat, der alles ein wenig zusammenhält.

fink - sort of revolution
soundalike-contest, die dritte: wonach klingt fink denn nun? mir fallen leider nur ganz schlimme assoziationen ein, denn ich muss unweigerlich (auch wegen des titels) immer an tracy chapman denken, und - im wievielten höllenkreis befinde ich mich? - in den lichteren, heitereren momenten an...jack johnson.
jetzt hab ich's gesagt.
bei fink lullert des öfteren diese schreckliche wohlfühl-fleecejacken-starbuck's-kaffeekränzchenromantik durch. das ist eine kaum annehmbare stilistische untiefe, aber kann der junge was für seine wohlig die seele streichelnde stimme? gerade als singender künstler ist man immer darauf zurückgeworfen, was die eigene kehle hergibt; lächerlich wäre es, würde er versuchen, nach karen o oder roger miret zu klingen. letzteres ist ja eigentlich immer lächerlich. stößt man also durch das kuschelsex-vibrato durch, bleiben minimalistisch arrangierte popsongs mit klugen, von persönlichen motiven getragenen texten und eine art von akustikgitarrenmusik, die vom lagerfeuer etwa so weit entfernt ist wie von agnostic front; es ist warm, anrührend, aber nicht feuerprasselnd und klischees heraufbeschwörend.

phosphorescent - at death, a proclamation
pass the campfire-torch mal weiter. was will oldham angerichtet hat, läßt sich ja eigentlich kaum mehr fassen. ein ganzes genre hat er im alleingang erfunden, das des singer/songwriters, der abends gerne am leben zweifelt und einen soliden indiebackground besitzt; das wäre ohne ihn kaum denkbar. auch phosphorescent aka matthew houk hat an sich stark epigonalen charakter und fügt sich gut in den bon(nie) prince iver-kosmos ein. trotzdem bringt er die nötige schwere und ernsthaftigkeit mit, aufgrund derer man solche künstlerInnen dann gerne als "ehrlich" oder "authentisch" abstempelt. es gilt aber, was auch für fink oder herrn unstern gilt: die adäquaten worte treffen mit den passenden akkorden zusammen. prädikat: gut - auch nach abzug der hipster-punkte für "skinny boy mit bart" oder "songs über naturmystik". er erschafft eine eigene, wenn auch nicht unbedingt eigenständige klangwelt, auf deren verwunschenen wegen er sich recht gut bewegen und auch führungen geben kann, nimmt einen auf eine reise mit, schafft es, für momente zu verzaubern. das hat natürlich nicht unbedingt den anspruch epischen theaters, aber das ist wohl auch kaum intendiert. spielt übrigens am 27.05. in nürnberg.

autechre - ilanders
das epische theater passt dann schon eher zu autechre, die stimmungen ja gerne gerade dadurch erzeugen, dass sie sie wieder und wieder brechen, auch wenn "oversteps", ihr neues machwerk, im verhältnis recht zahm erscheint. bei "ilanders" kommen einem gar kleine dubstep-reminszenzen in den sinn. aber sie beweisen hier, dass hinter ihren songs sehr wohl komplexe gerüste stehen, viel kopfarbeit - selbst in krass arhythmischen arrangements, etwa aus der "untilted"-zeit (2005). diese konstruktionen wackeln jedoch trotz ihrer brüchigkeit selten - und das ist sehr wohl beeindruckend - denn sie sind selbst in den momenten größter verwirrung immer stark mit ihren jeweiligen grundstrukuren verwoben, die man als hörer dennoch erst herausbrechen muss. metamusik. by the way: amüsant, dass das "oversteps"-cover beinahe wie der gegenentwurf zu caribou's "swim" wirkt:











the knife - height of summer
über dieses album habe ich mir viel gedanken gemacht. vor allem darüber, warum es alle welt so unglaublich mutig oder schwierig findet. es ist ganz klar ein konzeptionell angelegtes soundtrack-album, auf dem sich nur wenige "echte" songs, dafür umso mehr großartige ideen finden lassen. "height of summer" ist vielleicht der hitverdächtigste track des albums, auch einer der kürzeren, ganz klar, aber hier kommt auch eines der kennzeichen von "tomorrow, in a year" sehr gut zur geltung: das spiel mit dem percussiven element. gewaltige synth-toms behrrschen die szenerie, und auf vielen der tracks lassen sich solche elemente hören. vogelstimmen, ebbe, flut, all das ist zum teil ganz analog, diesseitig, natürlich, also organisch erzeugt. ein tolles projekt: naturmimesis, und siehe da, es sprengt den rahmen von pop.
und das wird vor allem an die oberfläche gezerrt: pop sind enge grenzen gesetzt. nicht the knife wollen dem publikum als band ein u als ein e verkaufen, das macht das publikum schon selbst und weist sich und das dreibuchstabenwort in enge grenzen. so macht dieses gerade so angesagte spiel mit der natur auch am meisten sinn: als gegenentwurf zum unhinterfragten status quo von pop und leben.

richie pitch feat. m.anifest - black star
ich weiß nicht viel über richie pitch, halte mich daher lieber mit ein bisschen gossip auf: er hat mal mit engelbert humperdink zusammengearbeitet, der seinen ruhm unter anderem muckibuden-alltime-faves wie "spanish eyes" vedankt (daneben ist sein name tatsächlich ein pseudonym). demnächst erscheint ein album, von pitch, nicht humperdink, auf dem er mit vielen rappern aus ghana zusammenarbeitete; zu denen zählte auch der hier vertretene m.anifest.
manchmal stört mich das nintendo-esque soundgewand, andererseits passt es so herrlich zu all den schönen rhythmus-pitchereien.

golden diskó ship - a cat's year
katalognummer eins der neuen "city splits"-serie von monika enterprise. zwei künstlerinnen aus ein und der selben stadt teilen sich ein album, in diesem falle wurden jasmina maschina und die mir bis dato unbekannte golden diskó ship ausgewählt. die tracks beider musikerinnen passen extrem stimmig ineinander, tragen eine leichtigkeit, die an französische pop-sensibilität erinnert, ohne auch nur in einem moment traditional pop zu sein. frau maschina klingt an manchen stellen a bisserl nach masha qrella, die ich ja gar nicht abkann, dem gegenüber baut das diskoschiff viele spannende fieldrecordings in die songs mit ein und gibt ihnen damit einen noch offeneren und luftigeren charakter.

dramamine - sleepless
die band gab mir arbeit. erstaunlich viele menschen in meinem umfeld waren begeistert, mich aber ließ das ewig kalt, eigentlich bis kurz vor ihrem nürnberg-gig vor einigen wochen. dann hat es mit einem mal "klick" gemacht. die mischung aus der dandyhaftigkeit eines gut aufgelegten ian svenonious, der dringlichkeit und des emos früher robocop kraus nahm mich dann letzten endes doch ein.
die robos passen auch manchmal musikalisch ganz gut. dramamine bewegen sich eben so in der mitte zwischen mitt-90er-emo und make-up-lastigem wipers-punk. und manchmal, da machen sie auch heftig krachende breakdowns, die mich an quicksand erinnern. das sind eigentlich nur großartige referenzen. ganz so weit sind sie noch nicht, ein bisschen eigenständiger könnte es noch werden, aber auch bei den robos hat es ewig gedauert, bis sie keine make-up-epigonen mehr waren. einzig bedauerlich bleibt die recht punkige produktion, heißt: kein mut zur basslastigkeit, alles schön mittig gefahren. dabei geht da so viel mehr, wie ebenda live gesehen.

pissed jeans - false jesii pt. 2
von dem punkfilm komme ich immer so schwer wieder runter. nach dramamine also noch fix die pissed jeans abgefeuert. der name ist konzept, das letzte album hieß "king of jeans", sicherlich eine referenz an "kings of punk". das gibt die stoßrichtung vor: ewig kaputter, angepisster punk, allerdings fantastisch noisig und überdreht. das hat wucht und charakter früher amphetamine reptile-acts wie god bullies oder hammerhead. solcherlei musik ist ja eigentlich tot dieser tage, in 90% aller fälle auch zu recht, aber ich muss zugeben, dass das in kleinen, fiesen dosen irren spaß bereitet...

transistors of mercy - some girls mistake my wander
fällt mir als erstes ein: jah division. wie liebe ich konzeptcoverbands. zogen letztere joy division durch den dub-kakao, machen die transistors ebendas mit den sisters. oder doch nicht? ich bin ehrlicherweise kein großer sisters of mercy-fan, kenne nur deren erste lp, und erkenne in den songs der berliner transistors auch nichts wieder. dennoch mag ich ihre ausladenden synthesizer-drones, vor allem, weil sie ein feeling für stimmungen besitzen und keine scheu haben, mal in richtung pop oder prototechno abzugleiten.

former ghosts - this is my last goodbye
ich gebs ja zu, ich bin ein bisschen verknallt in nika roza. und in jamie stewart. und natürlich auch in freddy ruppert. also auch in die former ghosts. großartig ist, dass sie auf dem kommenden radio z-fest spielen, traurig, dass sie nur in personalunion von herrn ruppert auftauchen werden. musikalisch machen sie es sich ja an sich einfach . 80er-jahre-düster-synthpop mit goth-touch und ordentlich hall auf absolut allem. als ob es das nicht schon genug geben würde. sogar die von mir nicht gerade geschätzten the xx - ich verstehe den hype und die taschen und die jungen menschen mit den retro-halber kopf abrasiert-frisen nicht so ganz - sogar also jene the xx sind eigentlich innovativer. aber halt nicht so tiefschürfend wie die former ghosts. da treffen die drei momentan größten dramatiker der poplandschaft zusammen (sieht man mal von anthony ab), das alleine macht schon einen reiz aus, verbindet sie doch alle der hang zur öffentlichen zurschaustellung des eigenen innenlebens, ohne damit den schlechten nachgeschmack von hausiererei zu erwecken, wie es die ganze besoffen-von-befindlichkeiten-gang um zu knyphausen und konsorten macht. auf dem fundament ihrer initialien also liefern sie ein dafür recht unspektakuläres album ab, das sich einfach mal zurücknimmt und neben den großen gesten vort allem auf understatement setzt, zumindest für diese drei akteure, und genau das macht die band so spannend.

new idea society - don't sleep
mein lieblings-ausdemhausgeh-song der letzten wochen. der text ist wunderbar. und evoziert immer wieder bilder von sich lächelnd anstrahlenden menschen, im morgengrauen nach einer langen nacht, nach all dem ekstatischen gefühlskrimskrams und den getränken. da fällt mir ein - neulich habe ich ein bizarres getränk entdeckt, das ich auf den namen sexo y droga taufte, weil ebenjene an selbigem abend ihr abschiedskonzert gaben. leider war der drink aufregender als die band. ein teil prosecco und ein teil vodka - es schmeckt hervorragend und sollte wirklich nur als last exit genossen werden, denn nach ein bisschen aufwärmzeit hilft einem das getränk, all die in "don't sleep" provozierte fröhliche naivität zu verlieren und eine black flag-mäßige kopf-vendetta zu beginnen. in besagter nacht wurde ich mächtig wütend über einen betrunkenen autofahrer, der mich an einer wenig befahrenen straße vom fahrrad schubsen wollte.

rocko schamoni - junge punx
hey, in drei tagen ist erster mai!

skull defekts - feedback between two skulls sitting in a room (exzerpt)
stammt von einer split mit den wolf eyes. jede band hat einen song, gesamtlaufzeit beträgt an die 40 minuten. ich bin mit diesem soundtrack mal recht lange auf einem alten metallfriedhof herumodyssiert, letzten sommer. dafür liebe ich diesen sound. der titel des songs ist recht passend gewählt. ein langer, reinigender drone, der einen ebenso verstört wie selten klar zurücklässt.

am ende kommt der hidden track, den alle kennen. der april ist ein seltsamer monat. bäume werden grün, tiere sprießen aus dem nichts, ich hab neulich fünf feuersalamander kennengelernt. das ergrünen erinnert mich immer an meine abiturzeit, genau da wurde ich langsam nervös und war so überglücklich, dass der quatsch bald vorbei sein würde. man war naiv, unschuldig. der schmutz kommt mit den jahren, der schmutz, der einem erst das angesicht gibt. neben all dem neuanfang wurden in diesem april auch todestage jahrestage, teile des antlitzes. und den menschen, der mit der hidden band das initial teilt, den vermisse ich immer noch schmerzlich.