Mittwoch, Oktober 15, 2008

find true true friends and eat their hearts.

nach zwei deprimierenden tagen an meiner seminarschule, an denen mein momentan gut aufgelegtes gemüt wieder auf das meeresspiegelniveau von holland gedrückt wurde, bin ich zurück in k.
habe einen repräsentativen teil der gestrigen nacht damit verbracht, eine einzige verdammte stunde vorzubereiten. was macht man da nicht alles? ganze erzählungen selbst schreiben, einleitungen erfinden, zeitungstexte fingieren, nebenbei herausfinden, dass tigermotten, die heute gängigerweise als bärenspinner bezeichnet werden, durch muskelkontraktion laute erzeugen können, die fledermäuse abschrecken. das klingt dann in etwa so, als ob ein miniaturbär untröstlich sauer werden würde.

und wofür mache ich das alles? dafür, dass ich den bärenspinnertext gegen zehn nach zwölf doch wieder lösche und meine fünf selbst geschriebenen einleitungen heute mittag innerhalb von fünf minuten verballere, ohne dass es auch nur einen der 24 physisch anwesenden halbwüchsigen mehr interessieren würde. ich hätte auch die gesamte stunde auf suaheli halten können, im zweifelsfall fällt das nicht einmal auf.
"hätte ich doch nur einen kasten kola mitgebracht!", dachte ich mir mittendrin, "dann würde vielleicht wenigstens mal jemand danke zu mir sagen!" richtig erkannt: der missionarische eifer geht mir langsam flöten, aber vielleicht ist das auch ganz gut so. zumindest könnte es mich davor bewahren, in einem rhythmus von sieben tagen - und das mit der genauigkeit, mit der monarchfalter immer wieder die selben routen fliegen, wie forscher herausgefunden haben - ans aufhören in allen schillernden kategorien zu denken.

den job aufhören. aufhören, am gesellschaftlichen leben teilzunehmen. aufhören, freunde zu treffen, leben für den beruf. aufhören zu leben, leben um aufzuhören. dabei will ich doch nur leben, um zu hören.

bei einer recht ausgedehnten suche zum themenkomplex "leistungsgesellschaft" bin ich übrigens auf eine sehr treffende kurzgeschichte gestoßen, deren autor diese ganze leistungsverwüstung in einen tödlichen satz packt: "in der mittagspause trinkt sie actimel".

nach einer sehr kurzweiligen halben drehung mutter erdballs bin ich letztlich doch wieder ins fegefeuer der banalitäten getrottet, habe mir mit 27 sechstklässlern walgeräusche angehört und mich in mein bett zurückgewünscht. habe aus dem fenster gesehen, und im geiste nach meiner walverwandtschaft gebuht.
und war überrascht über die freundlichen ratschläge von kollegen: mach doch die multiple choice-ex. denk auch mal an dich. groß werden die allemal, auch wenn du deine ganze woche in nur drei stunden vorbereitest.
recht haben sie. schließlich weiß hier ganz offensichtlich niemand, was er so tut. so hat zum beispiel der apparat den grundwissen-kanon für geschichte geändert. neuerungen: in zukunft gehören weder die staufer, das lehnswesen, der begriff "ghetto", noch die weimarer republik zum grundwissen junger erwachsener. dafür soll man in der 12. klasse ein halbes jahr über die außenpolitik der usa sprechen, aber positiv, bitte. spätestens hier habe ich mich gefragt, von wem das alles eigentlich gesponsort wird.

"ghetto, das ist doch da, wo die neger ihre beats kaufen", höre ich es auf dem gang raunen.