Montag, August 07, 2006

i love you but i've chosen iceland.

mehr schlecht als recht verpacke ich alles, zaehle die heringe und fluche. es ist saukalt, der wind weht alles durch die gegend. und was ich die nacht ueber fuer autolaerm hielt, war eine boee die die naechste gejagt hat. trolle waeren definitiv netter gewesen. ich bin zurueck auf der route 1, laufe fast eine stunde bei windstaerke 5 am schmalen seitenstreifen entlang, es drueckt mich immer wieder in die mitte der strasse. aber ein auto ist sowieso nicht in sicht, es ist gerade mal 6.00h.
vor mir meilenweite oednis, fieser wind, an mir nass-klamme klamotten und um mich: genau. der zaun.
beim loslaufen setzen meine flueche und verwuenschungen zu einem bisher unbekannten hoehenflug an, da das gute gefuehl von gestern abend, etwas geschafft zu haben, mir immer noch in den fussknochen und rueckenmuskeln steckt. nach ca. zwei kilometern bruelle ich eine schafherde an. sie ergreifen die flucht, ich kann kurz laecheln. ein kilometer spaeter dreht sich der spiess um. ich laufe an einer islandpferdfamilie inklusive fohlen vorbei, die mich allesamt ansehen, als wuerden sie dasselbe denken wie ich: was will der spinner hier eigentlich?! sobald ich aus dem sichtfeld der telepathischen ponies bin, schnalle ich den rucksack, mein schneckenhaus, ab und strecke wieder den daumen raus. gegen abend dieses tages werde ich beschliessen, dass ich mir ungefaehr an dieser stelle einen leichten gefrierbrand an der nase zugezogen habe.
zuerst nimmt mich ein freundlicher bauer ein paar kilometer weit mit, dann ein netter alter mann mit zwirbelschnurrbart. wir koennen uns zwar nur mit gesten verstaendigen, aber das eis scheint gebrochen zu sein als er beginnt, mir alte islaendische volkslieder vorzusingen. die umgebung verwandelt sich in ein riesiges tal zwischen zwei maechtigen bergruecken und man sieht den wind noch staerker durch die trockene grasvegetation peitschen als zuvor.
kurz darauf laesst mich der freundliche alte an einer tankstelle raus, ich rauche aus trotz eine widerwaertige windzigarette und mache mich erneut auf den weg. sage francis und mirah waermen mich ein wenig, ich beginne lauthals mitzusingen, schleudere an mir vorbeirauschenden autos mittelfinger nach und letztlich bricht ein teil des frustes, der sich in den letzten paar monaten oder jahren angesammelt hat, nach aussen. ich schreie und lache und obwohl ich angst bekomme, dass ich bald umkippen muss, fuehle ich mich endlich im hier und jetzt angekommen. um das nachzuvollziehen, schmeisst doch einfach mal den ventilator und eine zigarette an und hoert ganz laut "dogs of buenos aires" von mirah.
aber wir kennen das, aus funk, fernsehen, buechern und eigenexperimenten: wenn man meint, den bodensatz der existenz erreicht zu haben, geht immer noch ein stueck weiter nach unten, letztlich tut sich jedoch immer wieder irgendwo ein irres licht auf. so hielt, wie aus dem nichts, ploetzlich mein persoenlicher engel an: eine weissrussin, mit der ich mich zwar auch nicht verstaendigen konnte, die mir aber einen hike bis vor die tore akureyris gibt. was ich herausfinden kann ist, dass sie anscheinend ihre gesamte familie zuhause zurueckgelassen hat oder dies tun musste und dass sie, genau wie ich, voellig auf island abfaehrt. wir halten beinahe an jedem der unzeaehligen wasserfaelle an, die ungefaehr eine dreiviertel stunde vor akureyri in eine riesige schlucht stuerzen, trinken kaffee an einem reissenden, dennoch sehr pittoresken bergbach und ich merke, dass ich einfach nicht darum herumkommen werde, mir auch noch ein auto zu leihen, geld hin oder her.
vor akureyri geht sie zum shoppen in ein moebelgeschaeft, ich erklimme die felsen, die gleich dahinter liegen. bizarr, wie hier menschen- und naturgewalten aufeinandertreffen. ueberall um mich herum ein komisches, fiepsendes geraeusch, dass ich schon in der nacht zuvor gehoert habe; in etwa so, als ob einem kurz bevor man einschlaeft ein nasenloch verstopft und ein pfeiffen hervorbringt. der vogel, der diesen ton herstellt, heisst ab sofort nasendrossel, wird mir noch oefter ueber den weg fiepen; einige tage spaeter beschliesse ich, dass ich dort einen sicheren schlafplatz habe, wo es nasendrosseln gibt.

DEEP GREEN BEAUTIFUL LEVELLING.

das wetter ist schlagartig besser und ich verbringe fast vier stunden auf diversen felsformationen, trockne meine sachen, recke meine fuesse ins warme, kitzelige moos und lache. vor mir die kueste, hinter mir die berge, weit, weit dahinter die letzten 36 stunden.
viel zu spaet laufe ich in die jugendherberge ein. da an diesem wochenende irgendein riesiges fest in akureyri ist, auf dem 10.000e von islaendischen teenagern ihre unschuld verlieren, sind alle herbergen ausgebucht.
ich steuere ein hostel an, in dem ich gerade noch so das letzte freie bett der stadt bekomme, da ein gast spontan nicht aufgetaucht ist. nach einem kurzen, geschmacksarmen essen lasse ich die feierlichkeiten und die islaendischen autokorsos links liegen und will schlafen gehen. meine zimmernachbarin, eine schwedische hippie-mammsel mitte 30, die nach eigenen angaben "not a tent person" ist, scheint auf den ersten blick recht sympathisch zu sein.
in der nacht aendert sich das schlagartig, sie wird fuer mich "overall an un-person". erst wirft sie sich wie eine wildgewordene waldsau im bett herum, und dann beginnt sie mit all ihrer hippie-naturholzsteinheilungs-aufgeblasenheit zu schnarchen. laut. ich springe mehrmals im bett auf und ab, aber sie ist wie tot. sofort bekommt folgende geschichte, die sie mir zu beginn des abends erzaehlt hat, eine neue sinnschicht hinzugefuegt: als sie in reykjavik im hostel war, teilte sie sich das zimmer mit zwei japanerinnen, die auf einmal nachts um 03.00h damit anfingen, sich fuer ihre fahrt zum flughafen um 06.00h zurechtzumachen. diese tussen. jaja.
um 07.00h ist ihre wie auch meine nacht beendet. gegen 09.00h miete ich ohne weiteres nachdenken fuer zuviel geld ein auto. aber erstens kostet hier alles zuviel geld und zweitens schmerzen meine fuesse und schultern immer noch. frèdrik, besitzer des youth hostels, malt mir eine hervorragende karte aller sehenswuerdigkeiten rund um myvàtn.
kurz nach meiner abreise ueberrascht mich die euphorie ganz kalt. berge, fluesse, schafe, wasserfaelle, strassen durchs meer. ich kann ueberall anhalten und brauche fuer knappe 90 kilomter fast drei stunden. am myvàtn angekommen, bin ich ueberwaeltigt. surreale mondlandschaften, alte krater und: nein, kein zaun. muecken. myriaden. der gesamte see, der von den viechern seinen namen entlehnt hat, ist die einzige landesweite brutstaette dieser geisel der menschheit. den ersten ort auf frèdriks karte verlasse ich wild um mich schlagend und in sagenhaftem tempo. platz 2, same procedure. ich sehe eine mutter mit kleinkind aus einer schwarzbrauenn wolke fliehen. wer klamotten der marke "angriff der moerderbienen" kennt, darf sich das einfach mit diesen pestpocken der luefte vorstellen.
bei punkt 3 nimmt die plage ab. ich bin im gebiet von dimmu borgir, dem "schwarzen stein". tatsaechlich erfuellt sich mein traum und ich sehe an einem der hauptfelsen drei schwermetaller, natuerlich in dimmuborgir-shirts stehen, die sich auf dem berg in dunklen metalposen ablichten lassen. nach 60 minuten wandern geht es mit dem auto weiter zu solfatar-feldern, schwefelseen und einer unendlichen weite. in meinem kopf wetteifern solche klischeephrasen um einen platz auf dem papier.
stunden spaeter sitze ich auf dem grotjagar, einem berg mit zahlreichen spalten, aus denen warmer wasserdampf entweicht, lasse mich dort heissmangeln. glittering blackness. zufaellig hoere ich explosions in the sky.
danach fuehle ich mich voellig durch, mit mir selbst und mit diesem land. been there, done that. den folgenden lagerkoller gibt es jedoch ein andermal.
ps: margret, bitte darum die blumen nicht zu vergessen :)