Mittwoch, Mai 26, 2010

voluptuous life.


das vorletzte mixtape. dem wetter angemessen. voluptuous life.

1.
extra life - voluptuous life
was ein album...ich weiß schon gar nicht mehr, wie sehr ich mir seit wochen darüber den mund fusselig rede. also, das wichtigste in kürze: kommen aus new york, sind laut kritikerInnen das nächste große ding, und leider den meisten bookerInnen zu verkorkst. kadenzgesang, mediävistische versatzstücke, kaputter mathcore und metal ohne muskeln? ja, geht in gut und bleibt daher ewig spannend. was mich sehr beeindruckte, war ein vor kurzem gesehenes interview mit der band, in welchem deren kopf charlie looker die sache mit extra life auf den punkt brachte: wir wollen unserem publikum einen extremen, beeindruckenden und emotional aufregenden wie aufgeladenen abend bescheren. besser kann man's nicht sagen. endlich mal eine band, die zugibt: ja, es gibt publikum, ja, das ist wichtig für uns, und beim songschreiben spielt der potentielle rezipient durchaus eine rolle.


2. former ghosts - hold on
hab ich mich neulich auf dem z-fest in freddy ruppert aka former ghosts verknallt! so ein kleines, morrissey-affines männchen, das einen sowas von herzlich drücken kann, dass man, auch bei guter laune, gleich das heulen anfangen möchte. natürlich ist das eine ziemliche verneigung an joy division und anderen 80er-kram, aber in verbindung mit diesem überemotionalen performer passt das sooo gut.


3.
sole - dumb it down
was macht sole eigentlich heute? der song ist aus dem jahre 2003, vom "live from rome"-album...das war damals wahrscheinlich mein erstes hiphop-konzert, und ich hab's nicht verstanden, war aber ganz ehrlich begeistert. ah klar, seine myspace-seite verrät's: er hat die letzten jahre in einer waldhütte gelebt. wusste ich es doch. was anderes geht wohl gar nicht, wenn man schon zuvor so sehr das moderne leben durchschaut hat. the diogenes way of life. der rapper aus der tonne. "if there's a policeman living in your head, you're not free." word. eigentlich wollte ich ja den song "crisis" von selbigem album nehmen, wegen der schönen zeile "depression is a symptom of a society that failed us - my children won't grow up in a prison", aber musikalisch hat dieser dann doch besser gepasst. könnte ich ewig oft auf repeat hören. und nachdem ich vor einer woche schweißnass in der nacht aufwachte und davor geträumt hatte, dass ich vater werde, hat sich das mit den kindern auch erledigt.


4. cortney tidwell - 17 horses
ist das eine humorvolle verbeugung, dass der song "17 horses" heißt? er erinnert mich so dermaßen an "horses" von patty smith... aber das ist sicher nicht die schlechteste assoziation. an sich ist mir cortney tidwell ja noch zu unausgegoren, klingt zu oft zu nett, zu harmlos, zu...kenn ich schon. aber der song hat etwas, und wenn es nur der mut zu einer repetitiven struktur ist.


5.
mogwai - batcat
das vorletzte mixtape ist das hier, dann ist das jahr voll. und noch nie waren mogwai drauf? unmöglich. obwohl...ich tu mich langsam schwer mit dieser art von instrumentalmusik. so schön das auch klingt, was mogwai oder explosions in the sky oder ef oder sonstwer veranstalten, es klingt immer, immer, immer gleich. in diesem song wagen mogwai mal ein bisschen was, sind lauter, rockender, fast schon stonerrockesque - und können das. da klingt's auch gleich nicht mehr so selbstbezirzend wie sonst, so "hör mal, was ich für einen schönen loop spielen kann" - "hey, wait, ich auch!" es ist seltsam, aber trotz aller verträumtheit gelingt es diesen postrockbands wahnsinnig selten, sich selbst zu beschränken, klein zu bleiben.


6.
tiny vipers - dreamer
tiny vipers ist immer noch mein bisheriges konzert-highlight 2010. weil sie so wenig macht, sich selbst so extrem beschränkt auf gitarrenloops und stimme, und das in einer andersweltlichen perfektion betreibt. in keinem moment wirkt das, was sie tut, wie narzisstisches "ichundmeinegitarre"-geklimper, das ist bei aller ausladenden länge immer genau so lange, wie es sein muss.
7.

foals - spanish sahara (mount kimbie rmx)
da ich ja jetzt einmal in der woche in den genuss komme, mit monsieur jool von pumping velvet zusammenzuarbeiten, wurde aus mir in windeseile ein großer mount kimbie-fan. das ist, neben joolanda, hauptsächlich diesem foals-remix geschuldet - schon das original hat es geschafft, mir regelmäßig tränen über den rücken laufen zu lassen. aber im remix wird es fast noch trauriger, verlorener, einsamer.


8. owen pallett - oh heartland, up yours!
zugegeben: ob meiner sozialisation denke ich bei dem wort "heartland" immer als erstes an ein unsägliches lied von u2. klar also, dass dieser song mein liebster vom neuen pallett-machwerk ist. lustig, wie sehr die foals jetzt stimmlich an owen pallett erinnern, by the way. und owen selber? klingt immer noch wie eine kühle distanzierte version der beach boys - zum glück. depression statt surfen.
an dieser stelle standen übrigens über den letzten monat verteilt an die zehn songs, von new wet kojak bis zu the temper trap, aber es ward mir einfach unmöglich, einen würdevollen anhang an den mount-kimbie-rmx zu finden. dieses mixtape hätte mir echt beinahe ein paarmal das genick gebrochen.

9.
mahjongg - kottbusser torr
an denen musste ich fast ein geschlagenes jahr kauen, bis ich endlich einen zugang gefunden hatte. und dann -dang!- rhythmusmuster durchschaut, kapiert, wie geil die all diese soundschichten aufeinander legen. eine krautdisco-lasagne, wenn man so will. endlich, ich, beeindruckt. gerade im moment würde ich sowieso am liebsten ein k records-dauerabo haben. liegt es daran, dass das label wirklich seit einigen jahren so großartiges zeug veröffentlicht, oder gibt es das, ein bestimmtes label für eine bestimmte zeit im leben? mit 15 war das ganz sicherlich epitaph für mich. aber das k records-programm ist ja so divers und nicht auf einen bestimmten trademarksound eingefahren. zwischen mirah, mahjongg und eprhyme liegen ja wirklich welten. weiß gott. besser: ihr. gebt mir antworten.


10. capitol city dusters - killing ground
die beste bassline aller zeiten. ein prophetischer text. 1998. we've lost the underground. übers phänomenologische ist das natürlich weit raus, das ist schon ein sehr bitterer kommentar über eine zeit, in der der natürlich gewachsene punk-underground aufhörte zu existieren. an allen ecken und enden wurde aufgeweicht, ausgedehnt - natürlich war das nicht unbedingt schlecht. aber manchmal hat es sich doch wie der untergang roms angefühlt. es war der höhepunkt dessen erreicht, was nofx - man verzeihe mir das - einst sehr schön lyrisch verpackt hatten: "the desperation's gone / the song's the same." es war eben plötzlich möglich, die ganze untergrund-ästhetik auch marktfähig zu machen, die bekannte und geliebte haut einem substanzlosen etwas überzustreifen, inhaltsleer und trotzdem irgendwie vertraut. drastischer gesagt war das stellenweise so morbide und pathologisch wie das, was buffalo bill im "schweigen der lämmer" tat.
die dusters waren so eine alte-schule-washington dc-band, denen ich eines meiner intensivsten konzerterlebnisse verdanke, ca. 2002, münchen. für mich anfang 20 sahen sie sehr alt aus, das war verstörend, aber zugleich legten sie eine spiel- und improvisationsfreude an den tag, dass ich noch heute it einem alten bekannten, denich höchstens einmal pro jahr sehe, innerhalb von fünf gesprächsminuten bei diesem konzert ankomme.

11.
the starvations - red wine
gold standard laboratories war auch mal so ein label, von dem man ein paar jahre lang bedenkenfrei jedes release kaufen konnte. und die starvations waren eine der ergreifendsten bands im roster 2003. das klingt natürlich altbacken nach gun club, aber das schöne an jugendlicher rebellion ist ja gerade die tatsache, das man sie zumeist als betroffener immer ein erstes mal erlebt, zwar die gleichen fehler und unmöglichen entdeckungen wie alle anderen auch macht, aber es gibt diese energie, dieses zubeißen-und-nicht-mehr-loslassen, das hat man eben nur beim ersten mal. die starvations verpacken für mich genau dieses gefühl. es ist bei allem traditionalismus eine dringliche platte, die textlich die richtigen stimmungsbilder findet; "red wine for a blue boy", "please don't give me an american funeral"... plakativ, auf den punkt, leicht verständlich und aufnehmbar. was fürs herz halt.


12.
the smiths - that joke isn't funny anymore
was für's herz halt. klasse, wie völlig unmöglich es ist, eine smiths-epigone zu sein, und wie schön das ist. da kommt einfach niemand ran, und alle wissen es. und jede annäherung geht als große geste des hutziehens, der verneigung durch und wird wohlwollend lächelnd aufgenommen. die smiths sind ikonisch, nur annäherungsweise erreichbar - das ist auch dem stark zeitgenössischem sound geschuldet, ja, aber: hier hat pop eine seltene, einzigartige blüte erreicht, eine verbindung geschaffen, die es substantiell nur einmal geben kann. ein kurzes flackern, das nie ausgeht. schon wieder ein smiths-zitat.

13.
junip - rope and summit
die neue band von javier escovedo, wen es interessiert. mir war das recht egal, denn ich kenne javier escovedo eigentlich nur namentlich. angeblich hat er mit dieser band schon als sechzehnjähriger gespielt, jetzt, jahre später, kamen sie wieder zusammen und zaubern einen ganz eigensinnig-autistischen sound aus dem hut. droneangehauchter folk mit americana-sprengseln, seltsam entrückt und in der distanziertheit durchaus mit tiny vipers oder cat power vergleichbar. abgehoben schön.


14.
talk talk - spirit of eden
das minimalistische, das haben junip sicherlich von talk talk geklaut. mit "spirit of eden" läuteten diese 1988 ihre minimalistische phase ein, und ich finde es bemerkenswert, wie oft man auch heute noch in weitgestreuten kreisen über den namen talk talk stolpert; vielleicht gerade, weil sie den weg von pop hin zu spartanischem minimalismus gewählt haben - keine überfrachtung, keine angst vor stille und einer pause am eigenen instrument: davor haben wahrscheinlich die meisten musiker angst. trotzdem sind talk talk-songs auf ganz kreatürliche weise wahnsinnig kompliziert. gefilterte improvisationen, von denen die besten teile auf- und nebeneinander stehen, wo aber eben auch genug platz ist um einfach mal ein mehrminütiges orgelsolo ganz allein mitten in einem song da stehen zu lassen.


15.
sparklehorse - dreamt for light years in the belly of a mountain
eines der traurigsten lieder, die jemals geschrieben wurden. ich mag gar nichts über mark linkous schreiben, das wäre eh nicht angemessen. aber sparklehorse hatten eine großartige sensibilität für stimmungen, dafür, einem song nicht den eigenen willen überzustülpen, sondern ihn atmen und sich selbst entwickeln zu lassen.